Knapp die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland arbeiten mindestens 10 Jahre in einem Unternehmen – in operativen Bereichen wie Handel und Pflege sind es gut 9 Jahre, im Gastgewerbe hingegen nur 5 Jahre.
Wenn Mitarbeitende schließlich gehen – sei es durch eigene Kündigung, Ruhestand oder betrieblichen Stellenabbau – zählt trotzdem der letzte Eindruck. Ein standardisierter Offboarding-Prozess gewährleistet genau dies und stellt außerdem sicher, dass sich die Parteien professionell und freundlich voneinander trennen und kein Wissen verloren geht.
Was ist Offboarding?
Eine Offboarding-Phase beginnt ab dem Moment, ab dem klar ist, dass eine Person das Team verlässt. Sie geht über den letzten Arbeitstag hinaus, zum Beispiel mit etwaigen Formalitäten und Alumni-Aktivitäten.
Gründe für einen Abschied gibt es natürlich viele, zum Beispiel:
- Kündigung des Mitarbeitenden
- Kündigung seitens des Unternehmens
- Ruhestand
- Todesfall
Als Gegenstück zum Onboarding sollten Organisationen auch für das Offboarding Prozesse festlegen.
Treten Mitarbeitende aus dem Unternehmen aus, gilt es, 2 Bereiche zu beachten: den technischen und den emotionalen.
Erster Bereich: Das technische Offboarding
- Rechtzeitiges Klären von Formalitäten wie Resturlaub, Arbeitszeugnis etc.
- Rückgabe aller Hardware und Sperren von Zugängen auf Unternehmens-IT und interne Informationen.
- Transfer von Wissen und Verantwortlichkeiten, Dokumentation der Zuständigkeiten, Projekte und Aufgaben des entsprechenden Teammitglieds.
Zweiter Bereich: Das emotionale Offboarding
- Kommunikation an das Team und gegebenenfalls an geschäftliche Kontakte.
- Austrittsgespräch mit Feedback als Lernmöglichkeit für das Unternehmen.
- Wertschätzende Verabschiedung, die das Unternehmen weiterhin als attraktiven Arbeitgeber positioniert und die Option für eine künftige Zusammenarbeit offen hält.
Warum das strukturiertes Offboarding so wichtig ist
Der Offboarding-Prozess ist für Unternehmen ebenso wichtig wie das Onboarding.
Während viele Unternehmen für den Einstieg inzwischen digitale Checklisten und klare Zuständigkeiten nutzen, besteht beim Offboarding Nachholbedarf.
Sowohl Mitarbeitende als auch Unternehmen profitieren davon, wenn das Offboarding wertschätzend abläuft. Beide Seiten können sich dann auf die Zukunft konzentrieren und gehen mit positivem Gefühl auseinander.
Employer Branding und Offboarding
Der Abschied von Mitarbeitenden bedeutet in der Regel einen Verlust an Wissen und Kontinuität.
Trotzdem repräsentieren (ehemalige) Mitarbeitende weiterhin direkt oder indirekt den (ehemaligen) Arbeitgebenden.
Je professioneller und wertschätzender der Offboarding-Prozess, desto besser für den Ruf des Unternehmens. So wird das Offboarding von Mitarbeitenden zum Teil des Employer Brandings. Im Idealfall kann der:die Mitarbeitende bewegt werden, eine positive Bewertung im Internet zu hinterlassen.
Nicht zuletzt lässt sich durch respektvollen Umgang miteinander auch ein rechtlicher Konflikt vermeiden.
Offboarding ist Teil der Employee Experience
Strukturiertes Offboarding sollte ein Austrittsgespräch beinhalten, mit Feedback für beide Seiten.
Bei dieser Gelegenheit können Unternehmen die Gründe für die Kündigung erfragen und aus der Rückmeldung des Teammitglieds lernen. Idealerweise lassen sich Insights gewinnen, mit denen unter anderem die Fluktuationsrate verbessert werden kann.
Für (ehemalige) Mitarbeitende kann wertschätzenden Feedback ebenso wertvoll für einen Lernprozess sein.
Außerdem: Die Geschäftswelt ist klein. Es ist immer möglich, sich im Berufsleben ein zweites Mal zu begegnen. Auch in diesem Sinne sollte der letzte Eindruck positiv sein.
Datenschutz und Datensicherheit
Für den Schutz von Unternehmens- und Personaldaten ist ein klarer Offboarding-Prozess ebenfalls wichtig. Sonst gehen unter Umständen sensible und personenbezogene Daten von Mitarbeitenden oder Geschäftskontakten verloren– oder geraten im schlimmsten Fall in falsche Hände.
Deshalb ist es wichtig, dass Unternehmen wissen, welche Firmenhardware Mitarbeitende nutzen. Diese sollten sie am letzten Arbeitstag wieder einfordern und die Rückgabe dokumentieren.
Entsprechende Zugänge sollte gesperrt und Schlüssel zurückgegeben werden. Eine Dokumentation schafft Sicherheit und vermeidet Missverständnisse.
Wissenstransfer
Für den Transfer von Wissen ist wesentlich, Aufgaben abzuschließen, Projekte zu übergeben und gegebenenfalls eine saubere Dokumentation für die Nachfolge zu hinterlassen.
Kundschaft und Unternehmen profitieren von einer guten Übergabe.
Wann startet der Offboarding-Prozess?
Es gibt viele Szenarien, wie Mitarbeitende ein Unternehmen verlassen: Von der Standard-Kündigung über den langfristig geplanten Ruhestand – und in einem extremen Fall – bis hin zum unerwarteten Todesfall.
Führungskräfte sollten sich auf jedes Szenario vorbereiten, damit bei Bedarf die Schritte klar sind und die entsprechenden Aufgaben abgearbeitet werden.
Kündigung seitens des Arbeitnehmenden
Der klassische Fall für ein Offboarding ist die Kündigung seitens der Mitarbeitenden.
Hier greift die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist und somit bleibt in der Regel ausreichend Zeit, den Austritt vorzubereiten. Dann greifen alle Punkte des technischen und emotionalen Offboardings – siehe oben.
Das Offboarding sollte in jedem Fall freundlich und wertschätzend gestaltet sein, unabhängig von den Gründen der Kündigung. Beide Seiten können die Situation als Chance nutzen, um voneinander zu lernen.
Kündigung in der Probezeit
Manchmal passt es einfach nicht und Talente entschließen sich, schon in der Probezeit das Unternehmen wieder zu verlassen. Hier sollten Organisationen genau hinsehen und verstehen, wie es zu der Entscheidung kam.
- Gibt es private Gründe?
- Hatten die Person eine falsche Vorstellung von der Position? Warum?
- Gibt es Probleme im Team?
Eine Kündigung in der Probezeit kann ein Warnsignal sein, dass Prozesse überarbeitet werden sollten.
Kündigung seitens des Unternehmens
Für den Fall, dass das Unternehmen das Arbeitsverhältnis kündigt, bleibt oft weniger Zeit, das Offboarding zu gestalten.
Wenn Mitarbeitende erfahren, dass ihnen gekündigt wird, haben sie in der Regel anderes im Kopf, als eine strukturierte Übergabe zu erledigen. Checklisten, Formalitäten und ein solider Prozess helfen in diesen Momenten.
Betriebsbedingte Kündigung
Bei einer betriebsbedingten Kündigung haben sich die betreffenden Mitarbeitenden nichts zuschulden kommen lassen – entsprechend viel Verständnis sollten Unternehmen für Wut, Trauer oder Unzufriedenheit der Personen haben.
Es ist sinnvoll, das Offboarding in diesem Fall so einfach wie möglich zu halten und dabei trotzdem taktvoll vorzugehen.
Insbesondere die Mitteilung der Kündigung sollte respektvoll geschehen.
Fristlose Kündigung
Die fristlose Kündigung kommt zum Tragen, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen (siehe Bürgerliches Gesetzbuch (§ 626)). Da die fristlose Kündigung sofort wirksam ist, müssen Unternehmen sich auf diesen Fall vorbereiten, bevor er eintritt.
Der Zugriff auf Unternehmensinformationen muss schnell unterbunden werden, beispielsweise müssen Mitarbeitende ihre Schlüssel sofort abgeben. Auch das Team sollte zügig über die Situation informiert werden.
Ruhestand
Spätestens mit dem Ruhestand verlassen Mitarbeitende das Unternehmen. Das Offboarding ist in einem solchen Fall besonders gut planbar, da der Renteneintritt weit im Voraus feststeht und als Datum im Arbeitsvertrag enthalten ist.
Es ist besonders wichtig, das Wissen der Person bestmöglich in ihr Team zu transferieren und idealerweise die Nachfolge frühzeitig zu regeln.
Unternehmen sollten berücksichtigen, dass dieser Abschied für die Beteiligten emotional werden kann und entsprechend sensibel vorgegangen werden sollte.
Todesfall
Unternehmen sollte sich auch auf dieses außergewöhnliche Szenario vorbereiten. Auch hier erleichtern vorab definierte Prozesse die schwierige und emotionale Zeit.
Im Vordergrund steht ein sensibler Umgang mit allen Beteiligten – vor allem auch in der Kommunikation mit den Hinterbliebenen.
Wichtige Formalitäten für Unternehmen sind unter anderem:
- die Sozialversicherung benachrichtigen
- Lohnfortzahlungen klären
Persönliche Gegenstände sollten zu gegebener Zeit an die Hinterbliebenen ausgehändigt und Firmenbesitz wie Schlüssel und Hardware zurückgeholt werden.
Checkliste für das Offboarding
Es gibt eine ganze Reihe von Aufgaben beim Offboarding. Diese unterscheiden sich je nach Unternehmen, der Position der Mitarbeitenden sowie dem Anlass der Trennung.
Damit nichts übersehen wird, legen Unternehmen am besten Aufgabe in digitalen Workflows fest und weisen entsprechend Verantwortlichkeiten zu. So lässt sich auf einen Blick nachvollziehen, was bereits erledigt ist und welche Themen noch offen sind.
Außerdem helfen automatisierte Benachrichtigungen dabei, den Überblick zu behalten.
Folgende Aufgaben können in den Checklisten enthalten sein:
Direkt nach der Kündigung
- Personalabteilung informieren
- Offboarding-Prozess anstoßen
In den Wochen nach der Kündigung
- Ansprüche auf Resturlaub klären und diesen organisieren
- Buchhaltung informieren und offene finanzielle Themen klären
- Team informieren und den Austritt intern kommunizieren
- Gegebenenfalls Kundschaft und geschäftliche Kontakte informieren
- Nachfolge klären und gegebenenfalls Recruiting-Prozess anstoßen
- Interimslösung definieren
- Informationen für Arbeitszeugnis einholen und erstellen
- Kündigung bestätigen
- Wissenstransfer und Dokumentation
- Letzten Arbeitstag vereinbaren
Am letzten Arbeitstag
- Spätestens jetzt das Austrittsgespräch führen
- Rückgabe von Schlüsseln und Firmeneigentum – dies muss außerdem dokumentiert werden
- Zugriff auf IT und firmeninternes Wissen sperren
- Weiterleitung für E-Mail-Adresse einrichten
- Arbeitszeugnis aushändigen
- Abschiedsfeier
Nach dem letzten Arbeitstag
- Kontakt halten, zum Beispiel über Alumni-Mailings oder Unternehmensnewsletter
- Ehemalige Mitarbeitende zu Firmenevents einladen
Wichtige Kommunikation während des Offboarding-Prozesses
Um Unsicherheiten in den Teams zu vermeiden, ist eine offene und zügige Kommunikation während des Offboardings von Mitarbeitenden wesentlich.
Und natürlich sollte auch mit den Mitarbeitenden, die das Unternehmen verlassen, transparent und zeitnah kommuniziert werden.
Das Team informieren
Jemand hat gekündigt und wird das Team verlassen. Das bedeutet Veränderung, und Veränderung bedeutet Unsicherheit.
Diese ist umso größer, wenn die Kündigung seitens des Unternehmens erfolgt. „Wer wird der Nachfolger?“ „Werde ich die Aufgaben der Kollegin übernehmen müssen?“ „Warum geht er?“ “Werden sie mir auch kündigen?” – auf diese Fragen sollten sich Führungskräfte vorbereiten.
Es ist nicht zu unterschätzen, welchen Einfluss auch einzelne Teammitglieder auf das soziale Gefüge haben – auch über ihre eigene Abteilung hinaus.
Sobald die Kündigung feststeht, sollten deshalb die Vorgesetzten und die Personalabteilung mit der betreffenden Person vereinbaren, wer das Team informiert. Das Worst-Case-Szenario: Das Team erfährt in der Kaffeeküche von Dritten, dass eine Führungskraft oder ein Teammitglied geht. Das kann das Vertrauen der Mitarbeitenden nachhaltig beschädigen.
Extern kommunizieren
Sofern Mitarbeitende Kundenkontakt haben, sollten auch diese informiert werden, wenn jemand die Organisation verlässt.
Je mehr Außenkontakt die Mitarbeitenden hatten, desto wichtiger ist dieser Punkt.
Eine neue Ansprechperson kann direkt vorgestellt werden, damit eine nahtlose Kundenbetreuung sichergestellt ist.
Austrittsgespräch
Wenn möglich, sollte das Austrittsgespräch nach Übergabe des Arbeitszeugnisses stattfinden – dann sind die Mitarbeitenden eher bereit, auch Kritik zu äußern. Denn sie brauchen keine schlechte Bewertung mehr fürchten.
Das Gespräch kann je nach Situation von der Personalabteilung oder den Vorgesetzten geführt werden. In einem Leitfaden werden alle relevanten Gesprächsthemen festgehalten:
- Zu welchen Punkten wünscht sich das Unternehmen noch Rückmeldung?
- Was hat den Mitarbeitenden zur Kündigung bewogen?
- Was kann das Unternehmen hinsichtlich Kultur, Führung oder Weiterbildung lernen?
Der Leitfaden ist idealerweise auch im digitalen Offboarding-Prozess hinterlegt.
Das Gespräch sollte in einer wertschätzenden Atmosphäre stattfindet und von gegenseitigem Verständnis geprägt sein.
Ein freundlicher Abschied öffnet die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt wieder zusammenzukommen.
Fazit: Was ist erfolgreiches Offboarding
Es gehört unweigerlich zum Mitarbeiterlebenszyklus (dem Employee Experience Lifecylce) dass Mitarbeitende ein Unternehmen früher oder später verlassen. In diesem Fall nehmen sie immer Wissen und Erfahrung mit, die dem Unternehmen fehlen werden.
Ein strukturierter Offboarding-Prozess erleichtert es, dass an alle Formalitäten, Dokumentationen und Aufgaben gedacht wird und schützt vor späteren Streitigkeiten.
Idealerweise wird das Offboarding als digitaler Prozess aufgesetzt, der bei der Kündigung von Mitarbeitenden angestoßen werden kann und automatisiert die Verantwortlichen an ihre Aufgaben erinnert.
So ist der letzte Eindruck positiv, professionell und hält die Option einer künftigen Zusammenarbeit offen.