Die Digitalisierung hat das Potenzial, die Baubranche zu revolutionieren. Fachkräfte und Zusammenarbeit, Prozesse, Nachhaltigkeit, Arbeitsmethoden: Alle Bereiche des Bauwesens können von digitalen Tools profitieren. Die Vorteile verlaufen exponentiell: Je mehr Unternehmen digitale Lösungen einsetzen, desto größer wird auch der Effekt sein.
Der Einsatz von Building Information Modeling (BIM) ist inzwischen nahezu Standard und bei öffentlichen Ausschreibungen vorgegeben. Auch Software für Kalkulationen, Abrechnung und Materialbestellungen gehören zum Alltag.
Spannend wird es jedoch da, wo nicht analoge Prozesse nur digitalisiert, sondern neu gedacht werden:
- Digitale Zwillinge bilden den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks ab
- Drohnen überwachen Baustellen
- Roboter entlasten Fachkräfte von anstrengenden, monotonen und gefährlichen Arbeiten
- Kommunikation zwischen Fachkräften, Baustelle und Büro, verschiedenen Partnern mobil und in Echtzeit
Ein großes Hemmnis bei der Digitalisierung der Baubranche ist aktuell noch der Mangel an Standards und Schnittstellen.
Was bei Unternehmen A im System liegt, kann nicht immer problemlos an Unternehmen B weitergegeben werden. Laut einer Studie des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB) braucht es hier Vorreiter, die „die Vereinheitlichung von Prozessen und die Etablierung nationaler und internationaler Standards” vorantreiben.
Vorteile der Digitalisierung im Bauwesen
Die Digitalisierung kann im Bauwesen wie auch in vielen anderen Branchen Prozesse vereinfachen, Zeit und Kosten sparen und die Sicherheit aller Beteiligten erhöhen.
Von der Planung über den Bau bis zum Abbruch von Bauprojekten bieten digitale Lösungen über den gesamten Lebenszyklus eines Projekts Vorteile.
Bessere Kommunikation
Informationen sollten im 21. Jahrhundert nicht mehr per Aushang oder Laufzettel verbreitet werden. Mobile Plattformen erreichen alle Fachkräfte, ob im Büro, auf der Baustelle oder unterwegs bei Projektpartnern. Damit hat jeder Zugriff auf relevante Informationen:
- Arbeitsanweisungen,
- Formulare,
- Digitale Checklisten,
- Schichtpläne,
- den Stand des Bauprojekts,
- aktuelle Änderungen,
- Bauzeitenplan
Mehr Sicherheit am Bau
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz ermöglichen eine bessere Überwachung des Baus. Fotodokumentationen können automatisiert ausgewertet und gezielt bearbeitet werden. Sensortechnologie ermöglicht bedarfsgerechte Wartung von Maschinen und automatisierte Erfassung von Informationen wie beispielsweise den Witterungsbedingungen.
Vor allem aber wird die Sicherheit für die Bauarbeitenden erhöht. Mögliche Risiken werden früher identifiziert und gesundheitsgefährdende sowie anstrengende Tätigkeiten zunehmend mit maschineller Unterstützung ausgeführt. Das reduziert auch den Stress am Bau.
Optimiertes Design, Planung und Umsetzung
Der Einsatz von BIM ist heute Standard und ermöglicht laufende Verbesserungen in der Planung des Bauprojekts. Auch der Einsatz von Ressourcen – vor allem Material und Fachkräfte – kann so genau geplant und das Budget kalkuliert werden.
Der Baufortschritt wird im Bautagebuch festgehalten. Auch das findet heute kaum mehr auf Papier statt. Ein digitales Bautagebuch ermöglicht allen Beteiligten jederzeit Zugriff auf den Baufortschritt und die Historie und stellt wichtige Informationen übersichtlich zur Verfügung.
Schlüsseltechnologien treiben Digitalisierung im Baugewerbe
Die Digitalisierung verändert das Bauwesen umfassend. Verschiedene Schlüsseltechnologien treiben den Trend besonders voran.
Building Information Modeling (BIM)
Mit BIM lassen sich physische und funktionale Eigenschaften des Bauprojekts darstellen und verschiedene Optionen simulieren. Von der Konstruktion bis zur Wartung können Planer, Architekten und Ingenieure zusammenarbeiten und Informationen auf einem System teilen.
So können etwaige Probleme schon im Vorfeld erkannt werden. Das vermeidet künftige Kosten und führt zu effizienteren Bauprozessen.
KI und Machine Learning
Künstliche Intelligenz kann sowohl die Verwaltung des Baus entlasten und vereinfachen als auch den eigentlichen Bau verbessern.
Ineffiziente und sich wiederholende Prozesse lassen sich automatisieren. Das steigert die Produktivität, verbessert die Qualität und vermeidet Fehler. Außerdem werden Fachkräfte entlastet und haben mehr Zeit für andere Aufgaben. Daten aus früheren Projekten können helfen, Arbeitsabläufe zu verbessern und Ressourcen gezielter zu planen und einzusetzen.
Maschinen, die mit Sensoren ausgestattet werden und den Bau überwachen, sammeln zahlreiche Daten. Damit können Unternehmen den Zustand von Baumaschinen und Ausrüstungen vorhersagen und Wartungsbedarfe frühzeitig erkennen.
Dank der Analyse von Daten wie Betriebsstunden, Temperaturen und Vibrationen können Probleme identifiziert werden, bevor es zu Ausfällen kommt. Das erhöht die Betriebszeit und reduziert ungeplante Stillstände.
3D-Druck
Mit 3D-Druck kann der Materialverbrauch reduziert werden. Komplexe Bauteile werden direkt vor Ort hergestellt, was die Bauzeit verkürzt und die Logistik vereinfacht.
Drohnentechnologie
Drohnen überwachen den Bau von oben: Sie dokumentieren den Baufortschritt, erstellen Modelle des Geländes, erstellen Vermessungen und inspizieren auch schwer zugängliche Bereiche in kürzester Zeit.
IoT und Smart Devices
Mit dem Internet of Things können verschiedene Baugeräte auf der Baustelle vernetzt werden. So ist eine Echtzeitüberwachung möglich, etwa hinsichtlich Witterung oder Energieverbrauch. Automatische Datensammlung und -analyse unterstützt Fachkräfte dabei, den Bauablauf zu optimieren und potenzielle Probleme früh zu erkennen.
5 Hürden bei der Digitalisierung der Baubranche – und wie man sie überwindet
Die Digitalisierung ist kein Selbstläufer, sondern erfordert ein Umdenken der Unternehmen sowie die Bereitschaft, sich auf neue Technologien und Prozesse einzulassen. Dabei stoßen Baubetriebe immer wieder auf ähnliche Schwierigkeiten.
Dazu gehören:
1. Fehlende Standards und Normen
Bauherren, Bauleitenden, Handwerkende, Architekt:innen und viele mehr: Es gibt zahlreiche Beteiligte an Bauprojekten. Erfolgreiche Digitalisierung in der Baubranche braucht standardisierte Schnittstellen und Normen. Nur dann können auch Mitarbeitende unterschiedlicher Unternehmen, die gemeinsam am selben Projekt arbeiten, sicher und unkompliziert auf dieselben Daten zugreifen, etwa für digitale Zwillinge oder BIM.
2. Hohe Investitionen in Hardware, Software und Schulungen
Unternehmen, die digitalisieren, haben hohe Kosten. Insbesondere kleinere Firmen sind davon belastet. Neben Software wie Mitarbeiter-Plattformen und Hardware wie IoT-fähigen Maschinen müssen die Mitarbeitenden auch im Umgang mit den digitalen Tools geschult werden. Nur wenn der Einsatz dieser Lösungen auch zeitnah zu Einsparungen führt und zusätzliche Gewinne generiert, wird die Digitalisierung voranschreiten.
3. Widerstände in der Belegschaft
Nicht alle Mitarbeitenden sind begeistert, wenn Prozesse, die sich über Jahrzehnte kaum verändert haben, plötzlich ganz anders ablaufen sollen. Auch der Umgang mit Softwares und entsprechenden Maschinen oder Smart Devices muss gelernt sein. Es braucht ein klares Bekenntnis des Unternehmens für die Digitalisierung.
Gleichzeitig muss den Fachkräften glaubwürdig versichert werden, dass niemand ihre Arbeitskraft ersetzen will. Unternehmen müssen ein positives Umfeld und Neugier für digitale Möglichkeiten schaffen, ebenso eine Lernumgebung, in der Mitarbeitende den Umgang mit entsprechenden Werkzeugen sicher lernen können.
4. Datenschutz
Unternehmen scheuen sich, sensible Informationen online zu speichern – die Sorge vor Datenklau, Hackerangriffen und Datenleaks ist groß und der Datenschutz oft zeitaufwendig. Es hilft, robuste Sicherheitsprotokolle einzubauen und die Belegschaften für Sicherheitsrisiken zu sensibilisieren, zum Thema Datenschutz/DSGVO zu schulen und die Umsetzung von Datenschutzmaßnahmen vorzuleben und zu prüfen.
5. Fehlendes Breitbandnetz
Der ZDB nennt in seiner Studie ein simples, aber entscheidendes Problem. Der Ausbau von schnellem Internet in Deutschland ist nach wie vor unzureichend. Die besten digitalen Tools, Sensoren und Big-Data-Lösungen nützen nichts, wenn die Baustelle keine Netzabdeckung hat.
Nicht alle Hürden können einzelne Unternehmen aus eigener Kraft überwinden. Es braucht Branchen-Vorreiter und teilweise einheitliche Vorgaben in Form von Normen und Zertifikaten, um die Digitalisierung im Bauwesen entscheidend voranzutreiben.
Jedes Unternehmen hat es jedoch in der Hand, selbst zum Vorreiter zu werden und Maßstäbe zu setzen.
Die Zukunft der Digitalisierung im Bauwesen
Es geht bei der Digitalisierung im Bauwesen nicht um die Digitalisierung um ihrer selbst willen. Sondern um Fortschritt, Wachstum und einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen, vor denen die Branche aktuell steht.
Hinsichtlich Fachkräftemangel tragen digitale Tools dazu bei, operative Berufe im Baubereich sicherer und attraktiver zu machen.
Die Produktivität kann mit digitalen Tools entscheidend verbessert werden. Frühe Fehlererkennung reduziert die Notwendigkeit von Nacharbeiten. Verbesserte Planung ermöglicht einen reibungsloseren Ablauf der Bauphase.
Auch im Bereich Nachhaltigkeit, die so dringend von der Baubranche gefordert wird, bietet die Digitalisierung Unterstützung. Verbesserte Planung, Materialauswahl, Ressourcennutzung und optimierter, energieeffizienter Betrieb des Bauwerks gelingen besser auf einer Datenbasis, die gezielte Analyse im Bereich Nachhaltigkeit ermöglicht.
Fazit: Digitalisierung im Bauwesen
Die Digitalisierung verändert die Baubranche grundlegend und ermöglicht nachhaltigeres, produktiveres, effizienteres und sichereres Bauen.
Ein wesentlicher Vorteil der Digitalisierung am Bau ist die Kostenersparnis, die neue Technologien der Branche bieten. Verschiedene Hindernisse gilt es noch zu bewältigen, nicht alle können Unternehmen selbst angehen – Standardisierungen müssen von entsprechenden Stellen vorgegeben werden und vor allem der Netzausbau muss gesichert werden.
Unternehmen, die sich als Vorreiter in Sachen Digitalisierung etablieren, werden stark profitieren und haben die Chance, Maßstäbe zu setzen.